Don’t be evil – tue nichts Böses, so lautet das inoffizielle Firmenmotto von Google, und zwar von Anfang an. Jede Entscheidung, jedes Engagement der Firma soll sich an diesem Motto messen lassen. Ist es gut, was wir tun, profitieren alle davon? Auch eine Art von Marketing, denn die unterschwellige Message lautet natürlich: Google ist Dein Freund.
Schon lange hat man den Slogan nicht mehr gehört. Er ist in der immer lauter werdenden Kritik um die Datensammelwut von Google untergangen. Doch jetzt haben die Google-Manager den Leitspruch wieder ausgegraben, nicht etwa, um sich selbst zu ermahnen, sondern eher, um die chinesische Führung zu brüskieren.
Freie Meinungsäußerung, frei zugängliche Informationen? In China gibt es das nicht. Die chinesische Regierung führt im Internet ein strenges Regiment, kontrolliert das gesamte chinesisch sprechende Netz, filtert Inhalte, blockiert unerwünschte Webseiten oder Blogs, verfolgt jeden, der im Internet auffällt. Eine Art Internet-Stasi, streng geführt, sehr effizient – und mit allen großen Anbietern in China vernetzt.
Wer in China als Internetfirma mitmischen will, der muss sich diesen Spielregeln beugen. Google hat sich gebeugt, hat jahrelang in Absprache mit den chinesischen Zensoren Inhalte blockiert, die der Regierung nicht genehm waren – selbst Webseiten aus dem Ausland. Argument von Google: Besser, wir sind mit einem abgespeckten Angebot vertreten als gar nicht, wohlgemerkt: angeblich besser für die chinesischen Benutzer, zumindest offiziell. Inoffiziell dürften andere Gründe eine Rolle spielen, im chinesischen Markt mitzumischen, wirtschaftliche vor allem, denn wer möchte nicht auf dem schon bald größten Internetmarkt der Welt dabei sein?
Deshalb drängt es auch andere Unternehmen wie Microsoft oder Yahoo ins chinesische Internet. Aber eben immer mit einem schlechten Gewissen, denn ohne enge Kooperation mit den Mächtigen des Landes geht das nicht.
Don’t be evil? Irgendwie wollten viele nicht mehr daran glauben, nachdem Google sich dann doch jahrelang gebeugt, die eigenen Suchergebnisse strikt mit den Filtern der chinesischen Zensoren abgeglichen hat. Das Image von Google hat durch das Engagement in China gelitten, zumindest in der westlichen Welt.
Doch in China gehen nur rund 30% aller Suchanfragen an Google, der Rest an die chinesische Suchmaschine Baidu, sie ist Marktführer in China. Die Folge: Die wirtschaftlichen Erwartungen von Google werden bislang nicht mal ansatzweise erfüllt. Besonders viel Geld wird in China nicht verdient.
Die Enttäuschung über die wirtschaftlichen Daten war nun vielleicht mit ein Grund dafür, weshalb Google sich relativ weit aus dem Fenster lehnt und sagt: Wenn wir weiter Inhalte zensieren und filtern müssen, ziehen wir uns lieber aus China zurück.
Bislang nur eine Ankündigung, man könnte auch Drohung sagen, aber immerhin eine, die mit US-Außenministerin Hillary Clinton abgesprochen wurde, die in ein ähnliches Horn bläst. Denn im Dezember wurden Hackangriffe auf Server und Computer des Google-Konzerns registriert. Offensichtlich hatten chinesische Hacker, vermutlich im Auftrag der chinesischen Behörden, versucht, E-Mail-Konten von chinesischen Dissidenten zu knacken und die Inhalte zu lesen.
Das hat das Fass wohl zum Überlaufen gebracht. Google spielt öffentlich mit dem Gedanken, sich aus China zurückzuziehen und versucht, wenigstens PR-technisch zu punkten, denn im Westen wie im Osten kommt das gut an; selbst viele chinesischen User finden es gut, dass ein Unternehmen von der Größe Googles der chinesischen Regierung die Stirn bietet – auch wenn es wohl wenig bringen wird.
Das bringt Google Sympathiewerte ein, und vielleicht lassen sich so wirtschaftliche Misserfolge vertuschen. Keiner kann das wissen, weil sich Google gerne bedeckt hält, was die konkreten Zahlen in einem Markt anbelangt. Aber dass Google nur aus Überzeugung handelt, nur im Interesse der chinesischen User, das kauft dem Unternehmen keiner mehr ab. Ich jedenfalls nicht.