Der Telegram-Messenger und die Verhaftung von Parel Durow

von | 30.08.2024 | Digital

Telegram: Freiheit oder Gefahr? Der umstrittene Messenger und die Verhaftung seines Gründers.

Ein russischer Milliardär wird in Frankreich verhaftet, Millionen Nutzer weltweit sind beunruhigt, und Regierungen stehen vor einem Dilemma. Die Geschichte von Telegram ist mehr als nur die eines Messengers – sie ist ein Kampf um Privatsphäre, Sicherheit und die Grenzen der digitalen Freiheit.

Warum Telegram sowohl von Dissidenten als auch von Kriminellen geschätzt wird und welche Rolle sein enigmatischer Gründer Pawel Durow dabei spielt.

Die Magie von Telegram

Telegram: Ein Messenger, den nicht nur in Russland rund 35 Millionen Menschen nutzen, da wo Telegram entwickelt wurde, sondern überall auf der Welt. Der Messenger gilt als Symbolbild für Freiheit und Widerstand, weil der Entwickler und Chef von Telegram, Parel Durow, vergangenen Samstag überraschend bei seiner Einreise in Frankreich festgenommen wurde.

Die französischen Behörden werfen dem 39-Jährigen unter anderem Beihilfe zu Straftaten vor, aber auch und besonders mangelnde Moderation auf seinem Messenger Telegram. Die Verhaftung lässt uns alle genauer hinschauen, was Telegram eigentlich ist, was den Messenger von anderen unterscheidet und warum der Erfinder des Messengers nun in Haft sitzt.

Telegram spielt im Ukraine Konflikt eine große Rolle
Telegram spielt im Ukraine Konflikt eine große Rolle

Wer ist Parel Durow?

Pawel Durow ist ein 39-jähriger russisch-französischer Tech-Unternehmer und Milliardär, der als Gründer des beliebten Messengerdienstes Telegram bekannt ist. Geboren in Leningrad, heute Sankt Petersburg, verbrachte er einen Teil seiner Jugend in Italien und studierte später in Russland. Bevor Durow Telegram gründete, schuf er das soziale Netzwerk VKontakte, man kann sagen das russische Pendant zu Facebook. Damit ist er sehr reich geworden, senn VKontakte ist in Russland ähnlich beliebt wie Facebook hier.

Durow gilt als äußerste umstrittene Figur, die sich in Russland für Datenschutz und Verschlüsselung einsetzt, was Telegram zu einer beliebten, aber auch kontroversen Plattform macht. Seine Verhaftung in Frankreich hängt mit Vorwürfen zusammen, die sich auf die mangelnde Moderation und Kooperation mit Behörden bei Telegram beziehen, was laut den Vorwürfen der Behörden kriminelle Aktivitäten begünstigt hat.

Telegram kommt aus Russland

Telegram kommt aus Russland. Interessant ist ja, dass die russische Regierung es mehrmals verbieten wollte, es dann aber nie durchgezogen haben, weil russische Politiker es selbst benutzt haben.

Eine interessante Ironie bei Telegram. Der russische Staat hat mehrfach versucht, den Messenger zu blockieren, insbesondere im Jahr 2018, als Telegram sich weigerte, den Behörden Zugang zu verschlüsselten Nachrichten zu gewähren. Die Blockade erwies sich jedoch als technisch schwierig und letztlich ineffektiv.

Gleichzeitig nutzten viele russische Politiker und sogar offizielle Stellen Telegram weiterhin für ihre Kommunikation. Selbst der Kreml-Sprecher Dmitri Peskow gab 2017 zu, dass Telegram für die interne Kommunikation im Kreml verwendet wurde.

Diese Doppelmoral zeigt, wie sehr russische Beamte die Sicherheit und Funktionalität von Telegram schätzen, während sie gleichzeitig versuchen, die Kontrolle über die Plattform zu gewinnen. Letztendlich wurde die Blockade 2020 aufgehoben, nachdem Telegram einer begrenzten Kooperation bei der Untersuchung extremistischer Aktivitäten zugestimmt hatte. Heute ist Telegram mit etwa 30 Millionen Nutzern in Russland sehr populär und wird von beiden Seiten im Ukraine-Konflikt für Mitteilungen genutzt.

Telegram: Der Messenger spielt eine große Rolle bei der Radikalisierung

Telegramm mittlerweile weltweit beliebt

Telegram hat weltweit 800 bis 900 Millionen monatliche Benutzer. Zum einen, weil die Betreiber des Messengers gezeigt haben, dass sie selbst den russischen Behörden keine Daten liefern, aber auch, weil der Messenger schon sehr früh die Möglichkeit eingerichtet hat, sehr große Gruppen-Chats und auch Kanäle einzurichten.

Über Gruppen-Chats lassen sich auf Telegram bis zu 200.000 Menschen erreichen, über Kanäle sogar unbegrenzt viele Menschen; Telegram ist also kein Messenger, sondern ein Massenmedium. Außerdem können auch große Dateien bis zu 1,5 GByte über Telegram verteilt werden.

Was die Kooperation mit deutschen oder französischen Behörden anbelangt: Telegram hat seinen Firmensitz nach Dubai verlegt, um strengeren Regulierungen in Europa zu entgehen. Das Unternehmen kooperiert kaum mit Behörden und weigert sich oft, Nutzerdaten herauszugeben oder illegale Inhalte zu löschen.

In Deutschland und Frankreich wird erwartet, dass Messaging-Dienste bei der Bekämpfung von Kriminalität und Extremismus mitwirken, etwa durch die Herausgabe von Nutzerdaten bei richterlichem Beschluss oder die Löschung illegaler Inhalte. Macht Telegram aber nicht. Genau das macht Telegram insbesondere in extremen Kreisen links und rechts und bei Kriminellen so beliebt.

Telegram müsste Ansprechpartner für Behörden benennen, auf Anfragen reagieren und bei Ermittlungen kooperieren. Bisher lehnt das Unternehmen dies weitgehend ab und beruft sich auf den Schutz der Privatsphäre seiner Nutzer. Genau diese Haltung führt zu wachsendem Druck durch europäische Regierungen, wie die jüngste Verhaftung des Telegram-Gründers in Frankreich zeigt.

Telegram hat den Kanal von Hildmann blockiert

Wie gut ist die Verschlüsselung von Telegram?

Abgesehen davon: Wie sicher ist Telegram aber wirklich im Vergleich zu anderen Messengern, wie gut wird verschlüsselt?

Telegram bietet insgesamt ein zweifellos ordentliches Sicherheitsniveau, liegt aber hinter Messengern wie Signal zurück. Der Hauptgrund dafür ist die Art der Verschlüsselung: Telegram verwendet standardmäßig nur eine Client-Server-Verschlüsselung.

Das bedeutet, Nachrichten werden zwar beim Versand verschlüsselt, aber auf Telegram-Servern gespeichert, wenn auch verschlüsselt. Der Betreiber kann die Nachrichten lesen. Das ist bei WhatsApp und vor allem Signal anders: Hier kommt Ende-zu-Ende-Verschlüsselung zum Einsatz, die als extrem sicher gilt. Niemand kann mitlesen.

Wer Telegram benutzt und maximale Sicherheit benutzt, muss aktiv „Geheime Chats“ mit Ende-zu-Ende-Verschlüsselung starten.  

Auch relevant: Telegram speichert Nachrichten zentral, also auf Servern. Das erlaubt unter anderem, Telegram von verschiedenen Geräten aus zu benutzen. Pluspunkt sind selbstzerstörende Nachrichten.

Telegram eine Gefahr für die Allgemeinheit?

Redefreiheit und Privatsphäre sind ein extrem hohes Gut bei uns – zu Recht. Und sie werden durch Grundgesetz und dem Verfassungsgericht auch sehr gut geschützt.

Doch kann sich eine Gesellschaft wohl kaum leisten, dass ein massenhaft verfügbares Kommunikationsmittel ununterbrochen gegen geltendes Recht verstößt – und das tut Telegram – und nicht bei der Aufklärung schwerster Straftaten hilft.

Das kann man von den Telegram-Betreibern erwarten, insbesondere eine Moderation, weil durch Kanäle und Gruppen-Chats unzählige Menschen erreicht werden. Das ist kein Eingriff in die Privatsphäre, wo sich ein paar Menschen unterhalten. Telegram ist (auch) ein Massenmedium.

Ein Staat, und der Staat sind am Ende wir alle, kann es sich wohl kaum gefallen lassen, dass geltendes Recht ignoriert wird. Ich finde es daher richtig, dass versucht wird, dem ein Ende zu setzen.

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