Nancy Faeser will Polizei mit Fotos im Netz suchen lassen

von | 16.08.2024 | Digital

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will der Polizei mehr Möglichkeiten an die Hand geben: Die Polizei soll auch im Netz nach Personen suchen dürfen. Es liegt ein entsprechender Referentenentwurf vor.

Im Kinofilm reicht der Polizei ein verwaschenes Foto eines Verdächtigen, um mit Hilfe von Gesichtserkennung innerhalb von Sekunden die Person zu identifizieren. Deutsche Polizei befindet sich diesbezüglich im Mittelalter.

Dabei müsste das nicht sein: Gesichtserkennung ist heute sehr leistungsfähig. Eine Person anhand ihres Gesichts zu identifizieren, das gelingt mit moderner Technologie und KI leicht.

Das Netz ist voll mit Fotos, eigentlich kann man nahezu jeden leicht identifizieren. Doch ausgerechnet die Polizei macht das nicht – nicht bei Opfern, nicht bei Tätern, nicht bei Zeugen. Weil sie es nicht darf. Sie darf nicht im Netz suchen.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser will das ändern. Es liegt ein entsprechender Referentenentwurf vor.

Es ist heute ganz leicht, eine Person im Netz ausfindig zu machen
Es ist heute ganz leicht, eine Person im Netz ausfindig zu machen

Entwurf von Nancy Faeser ist 66 Seiten stark

Es kursiert ein 66-seitiger Gesetzentwurf, der einschneidende Veränderungen vorsieht. Man könnte es so sagen: Die Polizei soll mit der Zeit gehen und künftig Verdächtige, Zeugen und Opfer von Straftaten anhand von Fotos im Internet ermitteln können.

Die Idee ist also: Die Polizei hat ein Foto von einer Person und kann dann gewissermaßen die Social Media Dienste danach durchsuchen, mit Gesichtserkennung. Klar, dass das prinzipiell eine hohe Trefferrate verspricht, schließlich tauchen die meisten Menschen mal auf Foto auf, die auf Instagram, Facebook oder auf Webseiten gepostet werden.

Auch soll die Polizei mit Hilfe von Fotos im Internet den Aufenthaltsort und die Bewegungen von identifizierten Personen ermitteln können.

Als ausdrückliches Beispiel werden Videos von islamistischen Terroristen genannt, die Enthauptungs- oder Foltervideos im Netz teilen. Die Polizei soll den rechtlichen Rahmen bekommen, mit allen verfügbaren Mitteln Täter, Opfer und Zeugen ermitteln zu können. Das ist bislang eben nicht erlaubt.

nancy Faeser will Cyber-Abwehr stärken

Anbieter wie Clearview und Pimeyes können das schon

Es gibt bereits Anbieter wie Clearview oder Pimeyes, die so etwas anbieten.

Die amerikanische Polizei ist Kunde bei Diensten wie Clearview und Pimeyes: Die Anbieter durchforsten das gesamte Internet, vor allem Social Media Dienste, sammeln alle Fotos ein und speichern die biometrischen Daten.

Das ist heute technisch kein großes Problem mehr. Amerikanische Polizeibehörden bezahlen solche Dienste dafür, dass sie ihnen Namen und möglichen Aufenthaltsort von Personen mitteilen. Jeder kann die Dienste nutzen und nach Personen suchen – kostet nicht die Welt.

Doch in der EU ist es verboten, es verstößt gegen die Datenschutzgrundverordnung, die Gesichter von Personen biometrisch zu verarbeiten – ohne Zustimmung. Deshalb ist der Anbieter Pimeyes, der zuerst in Polen gestartet ist, mehrfach zu Strafzahlungen verpflichtet worden. Mittlerweile sitzt Pimeyes in den Seychellen, wo es solche Regeln nicht gibt.

Technisch machbar ist es also. Jetzt muss politisch die Frage beantwortet werden, unter welchen Umständen die Polizei so etwas machen dürfte – und wer den Dienst bereitstellen darf.

Journalisten haben Daniela Klette aufgespürt

Das erinnert an den Fall von Anfang des Jahres: Nach über 30 Jahren Flucht konnte die Polizei die Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette verhaften. Hier hat die Gesichtserkennung auch eine große Rolle gespielt.

Richtig: Es war Journalisten gelungen, mit solchen Tools die Ex-Terroristin aufzuspüren. Die Journalisten haben dazu zu Recherchezwecken eine Bildersuche im Netz gestartet. Die bekannten Fotos der Terroristin Klette waren sehr alt – sie sieht natürlich mittlerweile ganz anders aus. KI macht das aber nichts: Sie sucht nicht nach Gesichtern wie wir sie sehen, sondern nach Gesichtsmerkmalen, Hunderten. Und die ändern sich kaum bis gar nicht.

Jeder von uns hat besondere Eigenschaften: Augenstand, Kopfform, Höhe und Stellung der Wangenknochen, Mundform, Stirn… Das ist wie ein Fingerabdruck. KI ist super darin, Muster zu erkennen und zu unterscheiden. Deswegen kann KI heute mühelos Millionen von Gesichtern unterscheiden und einzelne Personen identifizieren – mit einem sehr hohen Maß an Zuverlässigkeit.

Natürlich wurde die Polizei dadurch düpiert: Die Journalisten schaffen etwas, was eigentlich Aufgabe der Polizei sein sollte. Nicht wenige sagen, das war die Initialzündung für das neue Vorhaben der Innenministerin.

Denn bislang kann die Polizei biometrischen Daten nur mit den biometrischen Daten der polizeilichen Inpol-Foto-Datenbank abgleichen. Dort sind alle Fotos von erkennungsdienstlich behandelten Personen sowie von Asylsuchenden gespeichert. Aber wer noch nicht polizeidienstlich erfasst wurde, den findet man halt so nicht.

PimEyes hat mittlerweile zwei Milliarden Gesichter in der Datenbank
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Faeser will keine Echtzeitüberwachung

Aber was ist mit „Echtzeitüberwachung“ – fragt sich der ein oder andere vermutlich: Wir laufen durch den Bahnhof, bummeln in der Stadt: Werden künftig möglicherweise Kameras unser Gesicht einfangen und checken, ob wir harmlos sind?

Das wäre eine Massenüberwachung mit biometrischen Daten: Etwa die Live-Auswertung von Videoüberwachungskameras auf öffentlichen Plätzen. Es gibt durchaus Politiker, die so etwas fordern. Doch der AI Act verbietet weitgehend die Nutzung von Gesichtserkennungstechnologien zur Echtzeitüberwachung in öffentlichen Räumen.

Dies schließt die automatische Identifizierung von Personen in Echtzeit durch Kameras ein, die auf öffentlichen Plätzen eingesetzt werden. Auch ist es verboten, eine Vorabauswertung vorzunehmen: Das schließt auch eine Überprüfung von Gesichtern ohne akuten Tatverdacht aus.

Einzige Ausnahme: Es liegt eine gerichtliche Genehmigung vor, etwa bei der Suche nach einer vermissten Person wie einem Kind oder bei der Verhinderung schwerwiegender Straftaten. Also nicht komplett verboten, aber nur in sehr engen Grenzen erlaubt. Das ist so angelegt, um eine Massenüberwachung wie in China zu verhindern – im ganzen EU-Raum.

Das plant Nancy Faeser aber ausdrücklich nicht.

Trotzdem regt sich Widerstand. Die Diskussion ist natürlich auch nötig. Ebenso, dass die Polizei nicht mit Werkzeugen aus der Vergangenheit arbeitet.

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