Big Brother Awards 2024: Datenkraken und digitale Sünder am Pranger
In Bielefeld wurden wieder die „Oscars für Datenkraken“ verliehen. Von der Deutschen Bahn bis zum Bundesgesundheitsminister – wer sind die größten Datensünder des Jahres?
Deine intimsten Gesundheitsdaten landen in den Händen von Forschern und Unternehmen. Dein Gesicht wird beim harmlosen Spaziergang von Polizeikameras gescannt. Klingt wie ein dystopischer Sci-Fi-Film? Willkommen in der schönen neuen Welt der Datenkraken!
Lauterbach und das Ende der ärztlichen Schweigepflicht?
In der Kategorie „Gesundheit & Soziales“ traf es diesmal einen prominenten Preisträger: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Sein Vergehen? Die nationale Umsetzung des „Europäischen Gesundheitsdatenraums“.
Klingt harmlos, hat es aber in sich: Sensible Patientendaten sollen künftig in ganz Europa für medizinische Forschung und Produktentwicklung ausgetauscht werden können.
Die Jury kritisiert, dass die Daten nach nicht definierten Verfahren weitergegeben würden. Jurorin Rena Tangens warnt: „Die Daten sind zwar pseudonym abgelegt, aber es ist durchaus möglich, wenn man viele Informationen von einer Person hat, eine Re-Identifizierung vorzunehmen.“ Das Bundesgesundheitsministerium schwieg bisher zu der Auszeichnung.
Die Deutsche Bahn: Datenkrake auf Schienen
Zum dritten Mal in der Geschichte der Big Brother Awards wurde die Deutsche Bahn ausgezeichnet. Diesmal für ihre App „DB Navigator“, die laut Jury Tracker einsetzt, die nicht abgelehnt werden können.
Juror und Chef des Preis „padeluun“ kritisiert: „Bahncards gibt es nur noch digital, Supersparpreise und Sparpreise gibt es nicht mehr am Automaten. Ich kann nicht mehr anonym reisen.“
Die Bahn verteidigt sich: Die Digitalisierung sei nicht mehr aufzuhalten, Datenschutzrichtlinien würden natürlich eingehalten. Doch die Kritiker bleiben skeptisch: Ist die Bahn auf dem Weg zur totalen digitalen Kontrolle ihrer Fahrgäste?
Big Brother is watching you – in Sachsen
Auch die sächsische Polizei durfte einen der begehrten Negativpreise mit nach Hause nehmen. Ihr Vergehen: Der Einsatz von stationären und mobilen Kameras zur automatischen Gesichtserkennung im Straßenverkehr. Die Jury kritisiert, dass so nicht nur Kriminelle, sondern vor allem Unbeteiligte biometrisch erfasst würden.
Chinesische Online-Shops in der Kritik
In der Kategorie „Verbraucherschutz“ traf es gleich zwei chinesische Online-Handelsplattformen: Temu und Shein. Laut Jury ziehen sich beide Unternehmen durch ihre AGBs aus der Verantwortung. Kunden in Deutschland würden zu Importeuren der Ware gemacht und müssten für alles geradestehen – von nachträglichen Zollzahlungen bis hin zu möglichen Klagen wegen Produktfälschungen.
Fazit: Die digitale Wachsamkeit bleibt gefordert
Die Big Brother Awards zeigen einmal mehr: Im digitalen Zeitalter ist unsere Privatsphäre ständig bedroht. Ob Gesundheitsdaten, Reiseinformationen oder Einkaufsgewohnheiten – überall lauern potenzielle Datenkraken.
Doch die Verleihung hat auch ihre positiven Seiten: Sie schafft Aufmerksamkeit für wichtige Datenschutzthemen und kann durchaus Wirkung zeigen.
So hat beispielsweise Tchibo nach einer früheren Auszeichnung den Handel mit Kundendaten gestoppt.
Bleibt zu hoffen, dass auch die diesjährigen Preisträger ihre Praktiken überdenken. Bis dahin gilt: Augen auf im digitalen Verkehr!