Wenn Head-Lines auf die falsche Fährte führen

Eine gute Headline sorgt für Aufmerksamkeit – soll sie auch. Gute Journalistentradition. Aber sie sollte keinen falschen Eindruck erwecken, finde ich. So gesehen ist die jüngste Headline auf Spiegel Online mehr als verwirrend:

Amazon-Rechner helfen beim Passwort-Knacken

Was denkt da der gemeine Leser? Richtig: Dass Amazon Hackern und Crackern bewusst oder zumindest wissentlich Werkzeuge zur Verfügung stellt, um Passwörter zu knacken.

Das allerdings ist eine – maßlose! – Übertreibung und so auch nicht richtig. Im Artikel wird es dann einigermaßen richtig gestellt. Es geht darum, dass Hacker sich heutzutage immense Rechenkapazitäten anmieten können, in der berühmten „Cloud“, bei Anbietern wie Google, Microsoft oder Amazon. Das ist richtig. Es ist kein Problem, auf Stundenbasis superschnello Server zu mieten und für eigene Zwecke zu nutzen. Etwa zum Knacken von Passwörtern, denn mit der nötigen Rechenpower bekommt man (nahezu) jedes Paswort geknackt. Vor allem, wenn es kurz und wenig einfallsreich ist, Wörter enthält, die in Wörterbüchern stehen.

Amazon ist also nur ein Anbieter, auf den man sich hier beziehen kann, einer von mehreren Dutzend. Warum also einen rauspicken und unnötig an den Pranger stellen? Verstehe ich nicht. Genauso gut könnte man schreiben: „Daimler Benz stellt Bankräubern Fluchtfahrzeug zur Verfügung“.

Dann enthält der Artikel auch noch einen Fehler: bei der Preisberechnung. Amazon berechnet gemietete Server, die übrigens „Elastic Computer Cloud“ (EC2) heißen, auf Stundenbasis und nicht auf Minutenbasis. Der Artikel erweckt den Eindruck, man könne einen Server für sieben, acht Minuten mieten und zahle dann auch nur für sieben, acht Minuten. Stimmt aber nicht. Man bezahlt immer die angefangene Stunde.

Fazit: Thema ist interessant. Mit mehr oder weniger frei verfügbaren Rechenkapazitäten kann man heute relativ schnell Passwörter knacken, etwa von WLAN-Zugängen. Allerdings auch nur bei simplen Passwörtern. Neu ist diese Erkenntnis hingegen nicht.